Dienstag, 30. Oktober 2012

Da esse ich lieber Kugelfisch

Eine herbstliche Brise streift durch unsere Haare; es ist nicht kalt, für den Herbst ist das der Sommer. „Ich bin ja so gespannt ob du’s magst.“, kichert Sophie, macht Platz für unsere Teller/Bretter/Baumhäuser und bedankt sich bei der Kellnerin. Bin ich eigentlich die einzige, der auffällt, dass Sophie und ich hier nicht reinpassen? Links von uns sitzt eine Dame im Kostüm – es würde mich kein bisschen wundern, wenn aus ihrer Tasche gleich ein Chihuahua gucken würde, rechts sitzt eine Gruppe Geschäftsleute in teuer aussehenden Anzügen. „Ich kann nicht glauben, dass ich das tue.“  Ich schüttel meinen Kopf und nehme die Stäbchen in die Hand um gleich darauf mit einem Lachanfall von Sophie über meine Unwissenheit in Sachen asiatischen Essen informiert zu werden. Gibt es auch Messer und Gabel für die normalen Menschen? „Hier, so musst du das halten“, sagt sie und korrigiert meine Stäbchenhaltung „Jetzt dreh es um und halte es zwischen den Stäbchen fest…und dann tunkst du es in die Sojasoße und…“ …isst. So weit so gut. Die wichtigste Frage wäre: Will ich das überhaupt essen? Ganz ehrlich, aber die grassgrünen Kügelchen auf dem Reis sehen nicht besonders gesund aus. Ganz zu schweigen von den Algen. Dad hat gestern noch welche aus unserem Teich gefischt …pflatsch und jetzt liegen sie auf meinem Teller. „Los mach.“ „Ja ist ja gut.“ Vorsichtig quetsche ich das Sushi zwischen meine Stäbchen, tunke es mit der Spitze für eine Nanosekunde in die Sojasoße und bugsiere die riesige Kugel in meinen Mund. Sophie verfolgt jeden meiner Schritte als wäre ich eine Laborratte, der man gerade ein krebsheilendes Wundermittel injiziert hat.  Ernsthaft…ich weiß nicht wonach es schmecken soll und ich bin mir sicher, dass ich kein weiteres Stück brauche. „Mhm lach nur!“, murmel ich mit vollem Mund und schaue Sophie vorwurfsvoll an die sich absolut nicht mehr halten kann vor Lachen. „Dein Gesicht….oh Ivy. Das ist einzigartig! Hahaha.“ Jeez, get a grip. Ich schlucke den letzten Bissen hinunter und schüttele mich anschließend. Bääh. „Shhh….Chanel guckt schon!“ „Ich wusste gar nicht das Sushiessen so erotisch sein kann.“, sagt sie laut und schaut Chanel herausfordernd an. „Sophie!“, zische ich und laufe dabei ganz rot an. Andererseits ist es ja schon ganz lustig – Sushi. Ich schiebe mein Baumhaus zu ihr rüber. „Ivy…wie soll ich das alles essen??? Hier iss wenigsten noch eins. Vielleicht mit mehr Soße? Ist auch eigentlich ziemlich kalorienarm.“ Wage ich ja zu bezweifeln, denke ich und nehme mein Operationsbesteck wieder auf. Methodisch und kaltblütig nehme ich ein Sushistück auseinander. „Ich will wissen was genau so ekelig geschmeckt hat. Entweder diese grünen Kügelchen, diese Wasabipaste, dieses weiße Undefinierbare, die Alge oder der Fisch. Mein Tipp ist die Alge und das Undefinierbare.  Willst du auch einen Tipp abgeben?“ „Ja, schneid mir mal ein Stück Alge ab.“, sagt sie zwischen zwei Bissen von ihrem Sushi. Ich starre sie an „Dann erklär mir erst mal wie ich mit Stöckern schneiden soll.“, gibt’s hier echt keine Messer und Gabeln? „Halt dein Stock darauf und ich ziehe dann mit meinen Stöckern.“ „Das sind Essstäbchen.“, korrigiert sie mich und muss schon wieder ein Lachen unterdrücken. „Eins…zwei…drei!“, wir beide probieren ein Stück von der zerrissenen Alge.  Wie auf Kommando verziehen wir beide die Gesichter. Sushi steht definitiv nicht mehr auf meinem Ernährungsplan. Bestimmt nicht.


Donnerstag, 25. Oktober 2012

tick tock goes the chiming clock

Wenig hat sich verändert. Sogar ein paar unserer Bilder hängen noch in der Eingangshalle. Vor genau zwölf Jahren bin ich das erste Mal durch diese Türen gegangen. Damals trug ein blaues Kleid mit Sternchensandalen, einen riesengroßen pinken Tornister mit Ponys drauf und ein Schild mit einem Bärenbild um den Hals; heute hingegen trage ich Jeans, ein weißes T-Shirt, Keilabsätze, meine Lieblingshandtasche und den Anhänger von meiner Uroma. Ich bin auch nicht mehr 6 sondern 18 Jahre alt; ich fange auch nicht mit der Schule an, ich habe sie beendet. So viele schöne alte Erinnerungen steigen in mir hoch, als ich durch die Flure schlendere und die selbstgemachten Bilder an den Wänden betrachte. Es war eine wunderschöne Zeit hier. Vor der einen Tür bleibe ich stehen; es ist mein alter Klassenraum und noch heute klebt das Bärenbild am Türschild. Die Pause hat angefangen und die ersten Kinder rennen auf den Hof. Ein paar bleiben vor mir stehen und beäugen mich argwöhnisch. Ich gehöre nicht hierher, wie sie bemerken. Auch die Frau, die nun gucken kommt warum ihre Kleinen nicht schon draußen spielen, hat sich ebenfalls kaum verändert. Sie ist etwas gealtert, aber sonst ist sie wie die Frau, die mir das Lesen und Schreiben beigebracht hat. Ihre Augen werden ganz groß als sie mich inmitten der Kinder sieht. Sie schlägt ihre Hand vor den Mund: „Nein. Dich kenne ich doch. Du bist Ivy. Oh mein Gott bist du groß geworden.“ Sie lacht. „Hi, ich wollte Sie mal besuchen kommen. Ich hab jetzt dieses Jahr mein Abitur gemacht und musste die ganze Zeit an die Grundschulzeit denken“ Oh ja, ich habe mich verändert. „Komm rein; du musst mir unbedingt erzählen wie’s dir ergangen ist!“ Viel hat sich verändert.

Wie die Zeit vergangen ist. 

Samstag, 20. Oktober 2012

Lasst die Spiele beginnen.

Es ist so still, dass ich eine Nadel fallen hören würde. Es ist so ruhig in meinem Zimmer, dass es mir schon fast gespenstisch vorkommt. Alles ist aufgeräumt, selbst die Stifte in meinem Schreibtisch liegen picobello nebeneinander. Ganz nervös schiele ich immer wieder in Richtung Laptop, den ich fein säuberlich auf meinem Schreibtisch mit den Unterlagen platziert habe; jedes kleinste Geräusch wird gierig von meinen Ohren aufgenommen und analysiert. Mein Hals ist so wahnsinnig ausgetrocknet, dass noch nicht mal 1,5 Liter H20 helfen; vielleicht hilft eine heiße Tasse von meinem Lieblingstee. Das aufkochende Wasser hört sich an wie ein startender Düsenjet in dieser Stille, bemerke ich während ich die wechselnden Farben an meinem Wasserkocher wie hypnotisiert beobachte. Grün, Blau, Lila, Orange …Rot. Endlich. Nach einer gefühlten Ewigkeit reiße ich den Apparat hoch, schütte das blubbernde Wasser in die gelbe Jumbotasse und stelle sie neben dem PC ab. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir dass es Zeit ist. Mein Magen zieht sich zu einem Knoten zusammen und kribbelt wie verrückt als hätte man Säure reingegossen. Nervosität, Angst, Freude, Aufregung pulsiert durch meinen Kreislauf. Noch immer starre ich auf die Uhr und verfolge gebannt den Sekundenzeiger. Gott, reiß dich zusammen, sag ich mir selbst und schiebe mein Haar aus dem Gesicht um tief durchzuatmen. Einmal die Lippen mit dem Labello nachziehen. Der Skypeanrufton ertönt laut aus den verkorksten Lautsprechern, die ich mein Eigen nennen darf.  Ich zucke zusammen, breche dabei den Labello zur Hälfte ab. Ahh…es ist soweit, denke ich während ich zum Laptop renne, mich in den Sessel schmeiße und mit ihm gegen die Wand fahre. Zitternd bewegt sich der Cursor zum „Anruf annehmen-Button“.


Lasst das Abenteuer beginnen.